Dem Forscherteam des Centre for Organismal Studies (COS) ist es gelungen, aus embryonalen Stammzellen von verschiedenen Fischen Netzhaut zu gewinnen.
Die Wissenschaftler konnten so an der Universität Heidelberg viele neue Erkenntnisse zur Entwicklung von Netzhaut und zur generellen Entwicklung von Zellstrukturen gewinnen.
Der Forschungsprozess im Überblick
Zu Beginn wurden pluripotente Stammzellen verschiedener Knochenfische (Zebra- und Medakafisch) extrahiert. Diese Zellen haben noch keine speziellen Eigenschaften und können sich im Verlauf ihrer Entwicklung zu verschiedenen Zelltypen weiterbilden.
Diese pluripotenten Stammzellen eines Embryos haben sich dann in einer Petrischale innerhalb eines Tages zu einer großen Netzhaut zusammengeschlossen. Aus diesem Zusammenschluss entwickelten sich in kürzester Zeit verschiedene Typen von Zellen, was in dieser Effizienz bemerkenswert ist. Insgesamt entwickelten sich mehrere hundert Netzhaut-Organoide, sodass eine Eingrenzung der Voraussetzungen für Strukturen, die einem Kopf und zwei Augen ähneln, möglich wurde.
Was ist ein Organoid?
Ein Organoid ist eine Mikrostruktur, die künstlich synthetisiert werden kann. Sie können unter den richtigen Bedingungen aus Gewebezellen oder pluripotenten Stammzellen „hergestellt“ werden. Sie dienen verschiedenen Zwecken und werden häufig als Stütze in der Medikamtenentwicklung oder der Erforschung von Krankheiten verwendet.
Fisch-Organoide sind besser reproduzierbar als Organoide von Säugetieren und entwickeln sich schneller, weshalb Sie für diese Forschung viele Vorteile bieten. Nur so ist ein Vergleich mit echten Fisch-Embryos realistisch.
Warum sind die Ergebnisse so wichtig?
Es gibt bereits Studien, die auf aussichtsreiche Erkenntnisse mit Stammzellen der Knochenfische hinweisen, jedoch ist es nie gelungen, dass sich Kulturen der Zellen in dieser Art zu einer komplexen Struktur zusammenschließen.
Durch die Analyse der Entwicklung dieses Prozesses eröffnen sich neue Potenziale, vor allem im Hinblick auf die „Manipulation“ der Stammzellen. Der erste Schritt ist also gemacht, hochkomplexe Gebilde synthetisch nachzubilden. So ist ein großer Fortschritt in der Forschung mit Organoiden geschafft, die Hoffnung auf mehr macht.
Insbesondere in der Forschung an Krankheiten und in der Medikamentenentwicklung können die erhaltenen Ergebnisse noch wertvoll werden.
Validierung der Ergebnisse
Das erreichte Ergebnis ist äußerst vielversprechend, jedoch kann der Schein auch trügen: Das äußere Erscheinungsbild einer hochkomplexen Retina heißt noch nicht, dass sich dieser Zusammenschluss wirklich wie eine Netzhaut verhält. Um das Verhalten der eigens erzeugten Netzhaut zu kontrollieren, wurden durch ein modernes Mikroskop die Bewegung und andere Verhaltensweisen kontrolliert.
Die Analyse ergab, dass eine „echte“ Retina keine Unterschiede zu der Retina des Experiments aufwies und die Forschung an dem neuen Organoid fortgeführt werden kann.
Verschiedene Organoide
Grundlage der Forschung sind Medaka- und Zebrafische, welche sich grundsätzlich evolutionär unterscheiden. Durch die sich stark ähnelnden Ergebnisse beider Fische kann geschlossen werden, dass die Entwicklung der Augen, insbesondere der Netzhaut, eine starke Ähnlichkeit aufweist und in der Genetik der verschiedenen Fischarten wenig evolutionäre Differenz aufweist.
Ausblick
Das Ergebnis, das embryonale Stammzellen eigenständig Organoide wie Netzhautgewebe entwickeln können, impliziert, dass auch weitere hochkomplexe Strukturen in einer Petrischale hergestellt werden können.
Aus diesem Grund sind die Ergebnisse ein großer Schritt in der Organoid-Forschung, aber auch in der generellen Stammzellenforschung.
Quelle: L. Zilova, V. Weinhardt, T. Tavhelidse, C. Schlagheck, T. Thumberger, J. Wittbrodt: Fish primary embryonic pluripotent cells assemble into retinal tissue mirroring in vivo early eye development, eLife (12 July 2021)